Das große Problem der Migration
Hunderte Menschen marschieren durch die Straßen. Sie machen den Hitler-Gruß, einige sind vermummt, werfen Gegenstände, Steine und Feuerwerkskörper. Dann erblicken sie einen Migranten. Sie beginnen, ihn zu beleidigen, zu hetzen, verfolgen und jagen ihn durch die Straßen. Dieses Szenario entstammt nicht etwa einem historischen Bericht aus dem nationalsozialistischen Deutschen Reich sondern geschah letzte Woche in Chemnitz.

Wie kam es zu den Ausschreitungen?
In der Nacht zu Sonntag, den 26. August, kommt es nach dem Chemnitzer Stadtfest zu einer Auseinandersetzung zwischen mehreren Männern. Wie die Staatsanwaltschaft inzwischen bekannt gab, zogen ein Syrer und ein Iraker schließlich ein Messer, gingen damit auf die anderen Männer los und stochen mehrfach auf den 35-jährigen Deutsch-Kubaner Daniel H. ein, der im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag.
Durch die bekanntgegebene Beteiligung zweier Ausländer, gegen die am nächsten Tag Haftbefehl erlassen wurde, kam es schließlich zur Demonstration von rechten Gruppierungen in der Chemnitzer Innenstadt, an jenem Ort, wo Daniel H. niedergestochen wurde. Videoaufzeichnungen zeigen die Demonstranten an der Stelle, wo andere Kerzen und Blumen niederlegen. Sie stören die Trauer durch permanente Parolen wie „Das hier ist unsere Stadt!“ Andere Videos zeigen einen augenscheinlich aus dem Ausland stammenden Mann, der von einigen Rechtsextremen – so muss man diese Menschen nennen, da das Wort „Demonstrant“ sie und ihr Verhalten verharmlosen würde – zunächst beleidigt, anschließend verfolgt und gejagt wird.
Bei den Versammlungen tragen sie Deutschlandfahnen, Plakate mit Sprüchen wie „Wir sind bunt, solange bis das Blut spritzt“ und machen den Hitlergruß. Dann gehen sie auf die Polizisten los, werfen mit Steinen und Flaschen, später treffen sie auf die linke Gegenbewegung, die das Bündnis „Chemnitz Nazifrei“ gegen rechte Gewalt organisierte. Insgesamt wurden mehrere Tausend Demonstranten gezählt, dazwischen viel zu wenig Polizei und Wasserwerfer, die aber nicht zum Einsatz kamen.
Sachsen als Hochburg des Rechtsextremismus
Nicht nur durch PEGIDA und zahlreiche Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte steht Sachsen inzwischen als Hochburg des Rechtsextremismus dar. Auch die jüngsten Ausschreitungen zeigen, dass Rechtsextremismus zum Problem wird. Menschen, die ihr Land zurückfordern, bereit sind, dafür gewalttätig zu werden und andere Menschen öffentlich beleidigen, angreifen und jagen. Rechtsextreme, denen – auf gut Deutsch – in den Kopf geschissen wurde. Geprägt von Rassismus machen sie Jagd auf andere Menschen, Menschen die ihrer Meinung nach weniger wert sind als sie selbst oder andere. Ihnen gegenüber stehen Linksextreme: Keinen Deut besser wie der G20 Gipfel in Hamburg zeigte. Extremismus kann nie die Lösung für ein Problem sein, denn er ist das Problem.
Während Rechtsextreme in Sachsen ihr Land zurückfordern und denken, sie würden etwas für ihr Land tun, indem sie Ausländer auf der Straße jagen, schütteln diejenigen, die wirklich etwas für dieses Land getan haben, diejenigen die das Land nach dem Krieg wiederaufgebaut haben, – unsere Ältesten – weinend den Kopf. Sie sind diejenigen, die wissen, wohin Rassismus und Nationalsozialismus dieses Land bringen. Bestes Beispiel ist der Tweet des AfD-Abgeordneten Markus Frohnmaiers:
»Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selber. Ganz einfach! Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringende "Messermigration" zu stoppen!
Es hätte deinen Vater, Sohn oder Bruder treffen können!«
Markus Frohnmaier
Abgeordneter der AfD
Ein Politiker ruft öffentlich zu Selbstjustiz gegen Ausländer, gegen „die todbringende ‚Messermigration’“ auf. Das ist eine Straftat, strafbar gemäß §111 StGB: „Öffentliche Aufforderung zu einer Straftat“ – Flucht und das Zuwandern und Ersuchen von Asyl hingegen ist ein Menschenrecht.
Was ist also das große Problem der Migration?
Betrachten wir Deutschland einmal als Container von nur Deutschen. Die Geburtenzahlen sind seit den 60er-Jahren rückläufig, der demographische Wandel tut sein Übriges. Die Folge: Immer mehr ältere Menschen stehen immer weniger jungen Menschen gegenüber. Das führt zu massiven Problemen in puncto Rente und Pflege.
Aber Moment mal: Tauchen nicht eben diese Punkt auch mit Zuwanderung immer wieder auf? Wenn wir ohne Zuwanderung auch nicht besser dran wären, warum lassen wir Migration nicht einfach sein?! Grenzen dicht und fertig? Um zunächst beim Beispiel der Geburten zu bleiben, zeigt die Auswertung des statistischen Bundesamtes, dass die Zahl der geborenen Kinder von deutschen Paaren stetig sinkt, während die Zahl der Geburten bei Paaren mit einem ausländischen Elternteil sich seit 1991 mehr als verdoppelt hat.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht war MIgration – also die Zuwanderung nach Deutschland aus dem Ausland – durchaus sinnvoll. So konnten nach dem Krieg günstige Arbeitskräfte aus dem Ausland gewonnen werden, aber auch hochqualifizierte Akademiker, Ingenieure, Ärzte und Forscher bereichern uns noch heute. Das tut der deutschen Wirtschaft ungemein gut, denn diese Arbeitskräfte fehlen uns.
Betrachten wir nun den aktuellen Verlauf – Stichwort: Flüchtlingskrise. Seit 2015 ist die Zahl der Zuwanderer erheblich gestiegen. Kriege und Konflikte im Ausland machten die Flucht vieler junger Menschen erforderlich – unter ihnen gewiss auch einige, die es weniger nötig hätten als andere, aber das Recht auf Migration und das Ersuchen von Asyl steht einem jeden Menschen frei – bis der Antrag abgelehnt wurde. Vielleicht hat unsere Regierung nicht alles richtig gemacht – aber wie der oben zitierte Tweet zeigt, tut sie das jetzt auch noch nicht, obwohl die Flüchtlingskrise von 2015 überwunden ist.

Doch es gibt noch immer besorgte Bürger, die sich um das Wohl der Menschen in Deutschland sorgen, Migranten partout als Problem betrachten und sich auf einer Meinung festfahren, die der des Nationalsozialismus in Nichts nachsteht. Sie hetzen gegen den Islam, stellen Muslime als Straftäter und Terroristen dar, stecken alle in eine Schublade. Die Nationalsozialisten haben Juden, Homosexuelle und andere Minderheiten in Züge gesteckt, sie in Arbeits- und Vernichtungslager verfrachtet und die Übrigen auf den Straßen verfolgt. Verfolgung auf offener Straße? Zum Glück gibt es so etwas heute nicht mehr – nicht, dass noch jemand die Nazikeule schwingt.
Begehen Ausländer mehr Straftaten?
Werfen wir also zuletzt einen Blick auf die Kriminalstatistik… Aha! 2017 gab es einen rasanten Anstieg bei den Sexualdelikten. Wurden 2016 noch 6223 Sexualdelikte angezeigt, waren es 2017 9318 Anzeigen – ein Anstieg von 50%. Das zeigt die offizielle Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts. Solche Zahlen sind gefundenes Fressen für Hetzer, Rechtsextreme oder AfD-Politiker. Schließlich lügen Zahlen nicht. Doch um sie zu verstehen, muss man sie auch deuten können: 2017 gab es eine Reform des Strafgesetzbuches. Gemäß des Leitsatzes „Nein heißt Nein!“ können seitdem jegliche sexuelle Handlungen, die gegen den eigenen Willen geschehen, angezeigt werden, nicht nur jene, bei denen Gewalt im Spiel war.
Wie viel Prozent der Täter bei angezeigten Straftaten waren Deutsche?
Quelle: PKS Bundeskriminalamt 2017 (externer Link), Version 2.0
Das große Problem der Migration ist nicht die Zuwanderung, nicht der Terrorismus oder die Gewalt. Denn die Statistik stellte auch heraus, dass junge Ausländer genau so kriminell sind wie junge Deutsche. Das große Problem der Migration ist Rechtsextremismus. Das große Problem ist der Rassismus und die Richtung, in die sich das Land und die Regierung bewegen. Die Ansicht, dass einige Menschen weniger wert sein könnten als andere.
Es ist nicht so als gäbe es in Deutschland keinen Platz für Geflüchtete. Wir haben auch Platz für Hochqualifizierte, die aus dem Ausland nach Deutschland ziehen wollen, um einen Job anzunehmen. Aber es gibt keinen Platz für Nazis und Rassismus. Wir haben keinen Platz für Selbstjustiz und Gruppierungen, die sich über geltendes Recht hinwegsetzen wollen. Wir haben keinen Platz für offene Gewalt gegen Minderheiten!
Zivilcourage muss nicht gewaltsam ablaufen. Demonstrationen müssen nicht gewaltsam ablaufen. Es ist wichtig laut zu sein. Es ist wichtig, all die Rechte und Pflichten zu achten und zu verteidigen, die uns die Demokratie gibt. Deshalb finde ich es wichtig, offen seine Meinung gegen den Rechtsextremismus zu zeigen – ohne Linksextrem zu werden.
Quellen: humanrights.ch, bpb.de, bmi.bund.de, antidiskriminierungsstelle.de, bamf.de
Titelbild: WikiImages/ pixabay.com

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