Der Auror Ron Weasley

Die Schlacht von Hogwarts war geschlagen – Der, dessen Name nie genannt werden durfte, war besiegt. Die Schreckensherrschaft des Dunklen Lords war vorüber. Doch nur bedingt konnte sich irgendjemand über diesen Triumph wirklich freuen. Der Kampf hatte viele Opfer gefordert. Freunde und Familienangehörige hatten ihr Leben im Kampf gegen die Dunklen Mächte gelassen.
Trauernd stand Ron Weasley am Grab seines verstorbenen Bruders Fred. Sein Bruder George stand neben ihm, während sie schweigend den Grabstein anstarrten. „Ich hätte nie gedacht, dass der Tag, an dem mir nicht nach Scherzen zumute ist, so früh kommen wird“, wisperte George leise. Ron legte seinen Arm um seinen älteren Bruder.
Ihre Schwester Ginny trat von hinten an die beiden heran. Einen Moment senkte sie den Kopf in Andacht, ehe sie ihren Zauberstab zückte und Blumen auf dem Grab erschienen ließ. Ron weinte und wischte sich sogleich eine Träne von der Wange, damit sein älterer Bruder dies nicht sah. „Es ist okay, zu weinen“, sagte Ginny, „George weint auch.“
Ron blickte zu seinem Bruder und sah eine Träne aus dem Gesicht fallen. Nach einigen weiteren Minuten der stillen Andacht sprach Ginny erneut: „George? Ron?“ Die beiden blickten auf und folgten Ginnys Blick.
Am Eingang des Friedhofs stand Kingsley Shacklebolt.
1. Das Böse ist noch nicht besiegt
„Kingsley, was machst du denn hier?“, fragte George, als die drei Weasleys sich dem Eingang näherten. „Da die Todesser auch das Zaubereiministerium infiltriert hatten, bedarf es einer grundlegenden Neuerung aller wichtigen Institutionen. Am heutigen Tag wurde ich zum Zaubereiminister ernannt. Ich werde mich in nächster Zeit damit beschäftigen, die Korruption und die rassistische Politik des Zaubereiministeriums zu bekämpfen. Im Kampf gegen die verbleibenden Todesser, die das Ministerium sicherlich nicht kampflos aufgeben werden, benötige ich starke Auroren. Jene, die in der Schlacht von Hogwarts gekämpft haben, scheinen mir als geeignet, weiterhin gegen das Böse zu kämpfen.“ Er sprach mit einer unglaublich ruhigen Stimme, die die drei Weasleys irgendwie beruhigte. „Also, was sagt ihr?“
Ginny war die erste, die Worte fand: „Gratuliere. Herr Minister“, scherzelte sie, „Doch ich muss dankend ablegen. Ich möchte nach Hogwarts zurückkehren und zunächst meinen Schulabschluss machen.“ Kingsley nickte verständnisvoll. „Der Schulabschluss“, sagte Ron, „Ich habe gar keinen Schulabschluss.“ – „Klar, der Schulabschluss war immer wichtig für den Aurorenberuf. Aber außerordentliche Zeiten erfordern außerordentliche Maßnahmen“, entgegnete Kingsley ruhig.
In Rons Augen entfachte ein Feuer und einen Augenblick lang verspürte er den Wunsch nach Rache an all den Todessern, die den Tod seines Bruders und seiner Freunde zu verschulden hatten. „Ich mach’s!“, willigte er ein. Kingsleys Blick schweifte zu George. „Ich kann nicht. Ich bin noch nicht bereit dazu“, George blickte zurück zum Grab seines Bruders Fred und der Minister nickte verständnisvoll.
„Ist Harry auch dabei?“, wollte Ron wissen. „Harry Potter war der erste, der zusagte. Ich schicke eine Eule, sobald es nähere Informationen gibt. Mein herzlichstes Beileid.“ Kingsley deutete mit seinem Blick kurz zum Grab von Fred hinüber, dann disapparierte er.
19 Jahre später
Der Bahnsteig 9 3/4 ist in dichten Dampf gehüllt, der aus dem Hogwarts-Express quillt. Am Bahnsteig stehen überall Hexen und Zauberer, die sich von ihren Kindern verabschieden. Ron Weasley und seine Frau Hermine stehen mit ihrer gemeinsamen Tochter Rose am Bahnsteig. „Onkel Ron. Onkel Ron!“ Ron dreht sich um, erblickt Harry Potter und seine Schwester Ginny mit ihren beiden Söhnen und ihre Tochter Lily Luna, die geradewegs auf ihn zugelaufen kommt. Er umarmt sie und hebt sie hoch. „Na, wen haben wir denn da? – Meinen liebsten Potter.“
Lily Luna erkundigt sich nach einem neuen Trick, denn sie liebt es wenn Onkel Ron ihr einen seiner Tricks zeigt. Ron zeigt ihr den Nasenklau-Trick, zieht Lily Luna die Nase ab und öffnet wenig später die Hand. Sie ist leer, doch der Trick ist so billig, dass alle in lautes Gelächter ausbrechen. „Jetzt starren uns wieder alle an“, sagt ein mürrischer Junge, der neben Harry steht. Es ist Albus Severus, einer der Söhne von Harry und Ginny. Ron versucht sofort, die Laune zu heben: „Und nur meinetwegen! Meine Nasenexperimente sind Legende!“
Nach einer Weile steigen die Kinder ein. Hermine, Ginny, Harry und Ron bleiben am Bahnsteig stehen und winken. Ein Pfiff tönt über den Bahnsteig und die Türen des Zuges schließen. Mit viel Pfeifen und noch mehr Qualm rollt der Zug an und lässt die Eltern am Bahnsteig zurück. Nachdem Harry kurz mit seiner Frau getuschelt hat, zieht diese sich ihren Bruder Ron beiseite und geht ein paar Schritte, um mit ihm über seinen Führerschein zu sprechen, den er in der Muggelwelt machen wollte.
Währenddessen geht Harry zu Hermine. „Ich wollte kurz mit dir sprechen, Hermine. Wie geht’s ihm? Er ist seit einem halben Jahr nicht mehr in der Aurorenzentrale gewesen.“ – „Er hat den Tod seines Bruders nie verarbeitet, sondern sich sofort in die Arbeit als Auror gestürzt. Nachdem ihr so viel im Ministerium erreicht habt, hielt ich es für sinnvoll, wenn er sich etwa Ruhe gönnt, um zu trauern. Stattdessen arbeitet er nun ständig bei Weasleys Zauberhaften Zauberscherze. Ich habe versucht, mit ihm zu reden. Ihm gesagt, dass es wichtig und richtig ist, zu trauern. Aber du kennst ihn. Er ist da eigen.“ – „Ich rede mit ihm. Danke, Hermine.“
Ein neuer Gegner
Zwei Tage später stattete Harry seinem Freund Ron einen Besuch in der Winkelgasse ab. Obwohl diese kurz nach Schuljahresbeginn überlicherweise wie leergefegt war, stapelten sich die Kartons mit neugelieferter Ware vor dem Eingang. Ron, völlig in die Arbeit vertieft, eilte aus dem Laden, nahm einen Karton und lief wieder hinein. „Wozu hat dieser Mann einen Zauberstab?“, dachte Harry sich, als er den Laden erreichte. Wieder kam Ron heraus geeilt, ließ Harry unbeachtet links liegen und schnappte sich einen der Kartons.
Harry, der zunächst alle Kartons mit einem Schwebezauber in den Laden befördern wollte, entschied sich schließlich doch dazu, mitanzupacken. Erst als alle Kartons im Laden waren, bemerkte Ron seinen Freund. „Mensch, Harry, was machst du denn hier?“ – „Ich schleppe Kartons für einen alten Freund.“ – „Du, ähh… Danke.“
Harry blickte sich um. Der Laden war viel größer geworden als noch zu seiner Schulzeit. „Ausdehnungszauber. Ziemlich cool, was?“ Ron legte seinen Arm auf Harrys Schulter. Dieser erwiderte: „Ziemlich cool.“ Ron schnappte sich einen der Kartons. „Jetzt, wo du schon einmal da bist, kannst du mir helfen, die Wildfeurigen Wunderknaller ins Regal zu räumen.“ – „Wohin?“ – „Dritte Etage, neben das Instant-Finsternispulver.“ – „Das Pulver, dass Malfoy damals verwendet hat, um die Todesser durch Hogwarts zu schleusen? Das verkaufst du immer noch?“ – „Klar. Das Ministerium hat jedoch eine Altersbeschränkung verhängt. Instant-Finsternispulver erst ab der dritten Klasse. Wenn Slytherins fragen, verkauf ich’s aber generell nicht an Schüler. Vorsicht muss sein.“ Harry horchte auf: „Du willst also sagen, wenn Albus Severus fragen würde, würdest du ihm kein Finsternispulver verkaufen?“ – „Dein Sohn ist in Slytherin? Ach herrje.“ – „Das wüsstest du, wenn du dich auch noch mit anderen Dingen als mit deiner Arbeit hier befassen würdest. Du bist Auror, Ron. Du hast eine Familie. Und zu dieser Zeit ist die Winkelgasse nicht sonderlich gut besucht. Warum kaufst du einen zehnten Karton Wildfeuriger Wunderknaller, wenn im Regal überhaupt kein Platz mehr ist?“ Ron ignorierte die Frage und quetschte einige Wunderknaller ins Regal.
Das Türglöckchen schellte. „Nicht sonderlich gut besucht, was?“ Ron schaute triumphierend zu Harry. „Tagesprophet!“, rief eine Stimme von unten. Sofort wich der Triumph aus seinem Gesicht und fand sich stattdessen in Harrys wieder. „Legen Sie ihn einfach auf den Tresen“, rief Ron ernüchtert zurück. Er zückte seinen Zauberstab, schwang ihn und sofort rutschten die Scherzartikel im Regal noch enger zusammen und schafften Platz für die restlichen Wunderknaller, die währenddessen aus dem Karton schwebten und sich im Regal einreihten.
Ron und Harry gingen wieder hinunter, wo Ron den Tagespropheten in die Hand nahm. Gleichzeitig erreichte eine Eule den Laden, die nun mit ihrem Schnabel an das Schaufenster hämmerte. Harry nahm der Eule einen Brief ab und kehrte in den Laden zurück.
„Massenmord an Muggelfamilien. Minister befürchtet Beteiligung dunkler Magie.“ lasen beide zeitgleich. „Ron, ich muss los. Wir reden beim nächsten Mal!“ – „Warte, Harry. Ich komme mit.“ Harry schaute erstaunt zu seinem Freund zurück. „Ich bin Auror geworden, um dunkle Magie zu bekämpfen. Offenbar haben wir noch etwas Arbeit vor uns.“
Die beiden verließen den Laden, Ron verschloss die Tür, dann disapparierten sie.
„Da vorn ist es“, sagte Harry, als sie aus der Gasse herauskamen, in der sie in London erschienen waren, „Kingsley ist bereits da.“ Harry und Ron begrüßten den Zaubereiminister und seinen Assistenten und gingen dann zu dem Haus, das die Polizei bereits abgesperrt hatte. „In Absprache mit dem Premierminister dürfen wir uns den Tatort ansehen.“ Kingsley gab einer Polizistin das entsprechende Schreiben des Premierministers, die kurz einen Blick darauf warf und das Absperrband dann für die vier hochhielt. „Hier entlang!“, sagte sie und führte die vier dann ins Haus.
In dem Haus war es dunkel und kalt. Im Flur lag ein Mann, leblos, die Augen weit aufgerissen. „Unser Gerichtsmediziner konnte bisher nichts zur Todesursache sagen. Den äußeren Anzeichen nach ein natürlicher Herztod – es ist jedoch bereits die siebte Familie, die wir allein in dieser Woche auf diese Art und Weise vorfinden.“
Die Polizistin ging die Treppe hinauf und ins Kinderzimmer. Dort lag eine Frau, ebenfalls ohne sichtbare Anzeichen einer Gewalteinwirkung. Harrys Haare sträubten sich. Er schaute sich im Zimmer um. In dem kleinen Kinderbettchen lag ein Kleinkind – ebenfalls tot. Sein Atem stockte. Im nächsten Moment fingen seine Knie an zu zittern. „Sagen Sie… ist jede Familie so aufgefunden worden?“, fragte er die Polizistin. „Jede. Eltern plus Kleinkind, die Mutter immer mit im Kinderzimmer.“ – „Vielen Dank. Würden Sie uns einen Moment entschuldigen?“ Die Polizistin nickte und verließ dann das Kinderzimmer.
Ron hatte inzwischen seinen Arm um Harry gelegt und versucht, ihn zu beruhigen. Er hatte verstanden und auch Kingsley schaute besorgt. „Es… es ist genau wie damals. Alles. Genau so.“, stotterte Harry. Dann sackte er neben Ron zu Boden.
Todesser
Immer und immer wieder sieht Harry die Szene vor seinem inneren Auge, wie seine Mutter sich schützend vor ihn stellt. Immer und immer wieder sieht er den grünen Lichtblitz, der seine Mutter trifft, ehe sie leblos zu Boden fällt.
„Harry? Harry?“ Rons Stimme holt Harry zurück ins Bewusstsein. „Bist du okay?“ Er nickte. „Sollen wir andere Auroren mit diesem Fall beauftragen?“, wollte Kingsley wissen? „Nein. Das ist etwas Persönliches. Ganz sicher.“ – „Da sind wir einer Meinung“, stimmte der Zaubereiminister zu. Harry stand auf und blickte sich in dem Zimmer um. „Irgendwas ist eigenartig“, murmelte er. Er ging auf die Wand zu, an der das Kinderbett stand. Langsam und Schritt für Schritt näherte er sich, Ron folgte ihm und blickte neugierig ebenfalls an die Wand. Plötzlich zückte Harry seinen Zauberstab und reflexartig tatet Ron, Kingsley und sein Assistent es ihm gleich. Er richtete seinen Zauberstab auf die Wand und sprach: „Revelio.“
Die Wand verfärbte sich. Blutrote Farbe siechte durch die Wand und formte sich. „Das dunkle Mal“, sprach Kingsleys Assistent fassungslos, „Dann ist es also noch nicht vorbei.“ – „Aurorenzentrale. In einer Stunde“, sagte Kingsley bestimmt, dann verließen er und sein Assistent das Zimmer. „Harry? Meinst du“, Ron schluckte, „Meinst du, Du-weißt-schon-wer ist wieder da?“ – „Das glaub‘ ich nicht, Ron. Aber einer seiner Anhänger scheint Muggelfamilien zu ermorden und dies ganz klar als Zeichen an mich zu senden. Und wir werden herausfinden, wer.“
Nach der Aurorenversammlung wurden alle verfügbaren Auroren eingesetzt, weil inzwischen außer Frage stand, dass es einen magischen Hintergrund für die Taten gab. Schnell fanden die Auroren heraus, dass die ehemaligen Todesser sich neu formiert hatten und neue Anhänger suchten.
Auch Harry und Ron waren deshalb mit der Observation der Todesser beauftragt worden. Da die Beteiligung der Todesser naheliegend war, ging man deshalb davon aus, dass man irgendwann irgendwen auf frischer Tat ertappen oder dabei beobachten würde, wie man sich mit dem Verantwortlichen in Verbindung setzte.
Harry und Ron waren mit der Beobachtung von Lucius Malfoy beschäftigt. Zwar hatten die Malfoys sich in ihrer Verhandlung geschickt herausreden können, Lucius war jedoch vor der Schlacht von Hogwarts ein sehr treuer Anhänger der Todesser. Seine Frau Narzissa war inzwischen über sich selbst hinausgewachsen. Sie schrieb viele Bücher und gelangte durch den Erfolg zu neuem Selbstvertrauen.
„Meinst du wirklich, dass Lucius Malfoy beteiligt ist? Ich hatte bereits bei der Schlacht von Hogwarts nicht mehr das Gefühl, dass er sich um den Sieg Voldemorts kümmern würde“, gab Ron zu bedenken. „Einmal Todesser, immer Todesser. Und sollter er sich ernsthaft geändert haben sind wir auf Nummer Sicher gegangen.“
Die beiden Auroren beobachteten das Landhaus der Malfoys, wo diese sich nach der Schlacht von Hogwarts zurückgezogen hatten. Ein Zauberer apparierte vor dem Tor, schritt auf dieses zu und durchquerte es. Ein Auror erschien hinter einer Hecke und beobachtete den Zauberer, wie er hineinging. Ron und Harry winkten ihn zu sich.
„Wer war das?“, fragten sie. „Thorfinn Rowle. Er apparierte bereits den gesamten Vormittag kreuz und quer durch London, beobachtete verschiedene Muggelfamilien. Nun ist er hier.“
„Ich denke, das reicht als Indiz. Wir sollten Mr. Rowle und Mr. Malfoy einmal befragen. Du kehrst bitte zurück zum Ministerium und erstattest Bericht.“ – „Jawohl, Mr. Potter.“ Der Auror verschwand augenblicklich und Harry und Ron gingen zu dem großen, eisernen Tor, hinter dem das Anwesen der Malfoys empor ragte. Sie klopften und wenige Momente später kam Narzissa Malfoy zum Tor.
„Sie sind doch… Potter und… Weasley? Draco ist nicht da.“ – „Guten Tag, Mrs. Malfoy. Heute sind wir beruflich hier. Wir wollen zu Ihrem Mann.“ – „Lucius? Aber wieso? Ist etwas passiert? Ist etwas mit Draco?“ Narcissa wirkte verunsichert. „Wir wissen nicht, wie es Ihrem Sohn geht. Wir stehen nicht in Kontakt. Dürfen wir eintreten?“ – „Aber sicher. Kommen Sie.“
Narzissa ging mit schnellen Schritten ins Haus zurück. Ron und Harry folgten ihr. „Lucius? Lucius?“, rief sie aufgebracht, als sie zurück im Haus war. Stimmen tönten aus dem Obergeschoss, sodass Narzissa zielstrebig hinaufeilte. „Lucius, die Herrschaften wollen zu dir“, sagte sie, als sie die großen Flügeltüren zum Salon aufstieß, in dem ihr Mann Lucius zusammen mit Thorfinn Rowle saß.
„Auroren? In meinem Haus?“ – „Was hast du angestellt Lucius?“ Nazissa verschränkte die Arme und sah ihren Mann erwartungsvoll an. „Ich wollte sowieso wieder los, Lucius.“ Der große, blondhaarige Mann stand von dem Sessel auf, in dem er es sich bequem gemacht hatte. „Bleiben Sie doch, Mr. Rowle. Wir hätten auch einige Fragen an Sie.“ Angespannt ballte Rowle seine Hände zu Fäusten.
„Du hast gesagt, es ist Schluss mit dem Kram. Du wolltest dich auf deine Familie konzentrieren. Und jetzt fragen Auroren nach dir. Erklär mir das Lucius!“ – „Später, Liebes. Es ist alles in Ordnung. Würdest du uns entschuldigen? Ich bin sicher, die Herren Auroren haben einige Fragen und gehen dann wieder, weil sie bemerken, dass ihre Anschuldigungen komplett haltlos sind.“ – „Ich erwarte eine gute Erklärung. Wehe, Lucius. Wehe, ich bekomme keine Erklärung.“ Grummelnd verließ sie den Salon und schloss die Tür. Man hörte sie aufgebracht murmeln, während sie die Treppe hinunter ging.
„Wie kann ich den Herren Auroren behilflich sein?“
Pure Rache
„Mr. Malfoy, wir ermitteln in einer Reihe von Mordfällen an Muggelfamilien.“ – „Das ist schrecklich, aber was habe ich damit zu tun?“ – „Wir haben an sämtlichen Tatorten das Dunkle Mal vorfinden können“, antwortete Ron sofort. „Außerdem haben wir Mr. Rowle heute beobachtet, wie er verschiedene Muggelfamilien beobachtet hat“, fügte Harry hinzu. „Das ist doch lächerlich“, äußerte Rowle, „Das sind haltlose Unterstellungen.“ Ron ging nervös im Salon umher, den Blick immer fest auf Rowle und Malfoy gerichtet. „Wenn das so ist, haben Sie ja nichts zu verbergen. Zeigen Sie uns bitte Ihre Arme.“
Lucius Malfoy lächelte verschmitzt. „Tat es weh, Potter?“ – „Sir?“ – „Tat es weh, dieses Szenario immer und immer wieder zu sehen? Immer und immer wieder daran erinnert zu werden, dass man verloren hat, was man liebt?“ – „Sir, zeigen Sie mir ihre Arme.“ Lucius biss sich auf die Unterlippe und zog dann seinen Ärmel hoch. Das dunkle Mal pochte quasi auf seinem Arm. „Das ist unmöglich. Es müsste vernarbt sein nach all den Jahren“, entgegnete Ron, seine Hand griffbereit an seinen Zauberstab gelegt.
Rowle, den Harry für einen Moment nicht beachtet hatte, zog seinen Zauberstab. „Locomotor Mortis!“, rief er und feuerte einen Zauber auf Harry. Dieser konnte mit einem Sprung zur Seite ausweichen. Malfoy schmiss den Tisch um und ging mit gezücktem Zauberstab dahinter in Deckung. Ron hatte seinen Zauberstab gezogen und feuerte eine Salve Schockzauber auf Rowle, der diese jedoch abwehrte. Harry sprang auf, zog seinen Zauberstab und rief „Impedimenta!“, doch Rowle konnte ausweichen. Rote Funken schossen hinter dem Tisch hervor. „Protego!“, rief Harry.
„Stupor!“ Erneut schossen rote Funken hinter dem Tisch hervor, diesmal trafen sie Ron. Dieser fiel augenblicklich zu Boden. Harry hastete zu ihm, zog mit dem Zauberstab schützend einen Wandschrank vor sich. „Enervate“, zauberte Harry und Ron stand wieder auf.
„Ich habe dem Dunklen Lord gern gedient, Potter. Aber du hast es zunichte gemacht.“, rieg Malfoy und feuerte einige Schockzauber. „Der ist komplett wahnsinnig, Harry.“ Ron neigte sich um die Ecke und schoss einen Beinklammerfluch auf Malfoy. „Gib mir Deckung“, bat Harry und sprang hinter dem Schrank hervor. Ron eröffnete das Feuer und schoss eine Reihe von Zaubern ab, während Harry durch den Raum lief und ebenfalls Zauber an Zauber reihte. Als Rowle hinter seiner Deckung hervorkam, nutzte Harry die Gunst der Stunde: „Deprimo!“ Der Boden unter Rowle brach ein und der Todesser stürzte ab. „Gib auf, Malfoy!“, rief Harry.
„Die Todesser folgen nun mir. Du hast mir alles genommen, Potter. Alles!“ Lucius Malfoy brüllte, „Bombarda!“ Der Schrank, hinter dem Ron sich versteckte, explodierte. Ron wurde an die Wand geschleudert und blieb reglos vor ihr liegen. „Ich führe dir immer wieder vor Augen, wie es ist, seine Familie zu verlieren. Jede dieser Muggelfamilien stirbt deinetwegen.“ – „Aber Ihre Familie lebt. Draco, Ihre Frau Narzissa“, bemerkte Harry. „Die andere Familie! Die, für die mein Herz schlug.“
Narzissa stürmte herein, doch Harry entwaffnete sie sofort. „Lucius, was tust du?“, schrie sie. „Sei still, Weib. Sei still.“ Er feuerte einen Schockzauber in ihre Richtung, doch Harry konnte sie in letzter Sekunde wegstoßen. „Ich werde dir alles nehmen, Potter.“ Harry feuerte eine Reihe von Zaubern. „Alles“, sprach Malfoy nun ruhig und bestimmt. Lucius Malfoy blickte zu Ron, der noch immer regungslos vor der Wand lag. Blut strömte über sein Gesicht. Als Harry hinter seiner Deckung hervorkam, um einen weiteren Zauber zu wirken, sah er Malfoys bösartig-zynisches Grinsen, ehe er disapparierte.
2. Das gebrochene Herz der Narzissa Malfoy
„Harry!“ Hermine stürmte um die Ecke, geradewegs auf Harry zu, der vor einem Behandlungszimmer wartete. Sie befanden sich im St.-Mungo-Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen. Harry hatte den reglosen Ron nach dem Duell mit Lucius Malfoy hierher gebracht. Er nahm Hermine in den Arm, drückte und beruhigte sie.
„Was ist passiert?“ – „Sprengfluch. Es scheint ihn ordentlich erwischt zu haben.“ – „Aber… Er wird doch… Er wird doch wieder?“, Hermine war aufgelöst, „Warum dürfen wir nicht zu ihm?“ Harry zuckte mit den Schultern. Die Tür zum Behandlungszimmer schwang auf und eine Heilerin trat heraus. Sofort machte Hermine einen Satz auf sie zu: „Wie geht es ihm? Wann kann ich zu ihm?“ Die Heilerin beruhigte Hermine und bat sie, sich zu setzen. Ausführlich erklärte sie Harry und Hermine, dass der Sprengfluch nicht nur äußerliche Verletzungen angerichtet hatte, weshalb das Problem nicht einfach mit Diptam-Essenz behoben werden konnte. „Es sind Knochen zersplittert und er hat innere Verletzungen durch die Splitter davongetragen. Wir müssen ihn vorerst hier behalten und er braucht absolute Ruhe. Er ist ohnehin nicht ansprechbar. Wir halten Sie auf dem Laufenden.“
Hermine war fassungslos. Harry legte seinen Arm um Hermine und tröstete sie. „Lass uns hoch gehen. Ich lade dich auf ein Goldlackwasser ein“, sagte Harry bemüht. Hermine wischte sich eine Träne aus dem Gesicht und nickte stumm.
Das St.-Mungo-Hospital war ein fünfstöckiges Gebäude, das von außen einem renovierungsbedürftigen Kaufhaus glich. Während Ron im vierten Stockwerk, der Abteilung für Fluchschäden und Zauberunfälle, behandelt wurde, befand sich im fünften Stock die Besuchercafeteria.
Während Hermine sich in der Cafeteria an einen abgelegenen Tisch zwischen zwei kleinen Bäumchen setzte, bestellte Harry ein Goldlackwasser für Hermine und ein Butterbier für sich. Als er zum Tisch zurückkehrte, starrte Hermine an ihm vorbei. Als Harry sich ebenfalls umdrehte, um Hermines Blicken zu folgen, sah er ihn: Gilderoy Lockhart.
Er saß an einem langen Tisch in der Besuchercafeteria, vor ihm waren seine Bücher aufgestapelt. Er verteilte wohl Autogramme. „Ob er sich wohl an uns erinnert?“, scherzte Harry, doch Hermine reagierte nicht. „Weißt du, was mich anwidert, Harry? Dass er nun ausgerechnet in dem Krankenhaus behandelt wird, das Lucius Malfoy immer als großzügiger Spender unterstützt hat.“ Harry verschluckte sich an seinem Butterbier. Dieses Detail hatte er vergessen. „Ich versichere dir, er wird hier bestens behandelt werden.“ Sie blickte stumm auf ihr Goldlackwasser. „Versprich mir, dass du ihn findest, Harry. Wenn es sein muss, helfe ich dir dabei.“ – „Ich verspreche es. Aber da gibt es noch etwas, was du wissen solltest.“
Das Verhör
Hermine schaute ihn fragend an. „Malfoy hat mir gedroht. Er werde mir alles nehmen. Du bist also auch in Gefahr.“ Hermine seufzte. „Ich kann sehr gut auf mich aufpassen. Soll er kommen. Es gibt so viele Zauber, die ich an ihm ausprobieren möchte.“ Harry gluckste, verschluckte sein Lachen aber sofort. „Ich werde mich nicht verstecken, Harry.“ – „Pass aber dennoch auf dich auf, Hermine. Lucius Malfoy ist gefährlich.“ Hermine nickte stumm und nahm einen großen Schluck von ihrem Goldlackwasser. „Was ist mit seiner Frau, Harry?“ – „Die Auroren haben sie mitgenommen. Ich werde sie später verhören.“ – „Lass mich dabei sein.“ – „Du solltest bei Ron bleiben, falls er aufwacht.“ Sie nickte.
„Ich werde mich jetzt um Narzissa kümmern.“ Harry trank sein Butterbier aus, verabschiedete sich von Hermine und ging zum Aufzug. Auf dem Weg dorthin passierte er den Tisch, an dem Gilderoy Lockhart seine Bücher signierte. „Sir“, grüßte Harry ihn nickend. Lockhart blickte kurz auf und lächelte freundlich aber verwirrt. Er erkannte Harry nicht und räumte seine Bücher auf dem Tisch hin und her.
Narzissa Malfoy saß schweigend auf einem Stuhl in einem dunklen Raum im Keller des Ministeriums. Hier traf sich für gewöhnlich das Zaubergamot für Anhörungen und Befragungen. Heute war der Raum leer. Zwei Auroren bewachten die einzige Tür.
Während Narzissa Malfoy Löcher in die Luft starrte, ging Harry vor ihr auf und ab. „Mrs. Malfoy, ich könnte mit meiner Zeit durchaus sinnvollere Dinge anfangen als in diesem dunklen Kellerraum auf und ab zu gehen. Alles, was ich von Ihnen wissen möchte, ist, wo ihr Mann sich versteckt.“ Wie bei Verhören üblich, waren Dementoren anwesend, die durch einen Patronus an der Decke des Raumes gehalten werden. Harry Patronus, der die Form eines Hirsches annimmt, sprang anmutig in etwa vier Metern Höhe durch den Raum. Doch Narzissa beachtete ihn ebenso wenig wie sie Harrys Worten Beachtung schenkte.
Harry seufzte. Dann kam ihm eine Idee. „Was glauben Sie, was Draco davon halten würde, wenn sein Vater als gesuchter Schwerverbrecher und seine Mutter wegen Beihilfe nach Askaban kommen würden?“ Narzissa zuckte zusammen. „Draco“, murmelte sie, „Ich möchte mit Draco sprechen.“ – „Sagen Sie mir, was ich hören will, dann hole ich Draco her.“ Narzissa verlor eine Träne.
„Nachdem Sie mir im Wald die Gewissheit gegeben haben, dass es meinem Draco gut geht, habe ich Ihr Leben gerettet, Mr. Potter. Ich habe meinen Sohn und meinen Mann mitgenommen und wir haben ein neues Leben angefangen. Mein Mann versprach mir, den Kontakt zu allen Todessern abzubrechen“, Narzissa sprach leise und ruhig, „wir lebten glücklich und ruhig, Draco gründete seine eigene Familie und mit der Zeit schwächte der Kontakt ab. Seit einiger Zeit wirkte Lucius unglaublich beschäftigt. Das machte mich misstrauisch, war er doch inzwischen im Ruhestand…“
„Lucius?“, Narzissa rief aus der Küche nach ihrem Mann. Sie wartete mit dem Essen auf ihn. Doch ihre Rufe blieben unbeantwortet. Sie ging die Treppe hinauf. Die Tür zum Salon war nur angelehnt und es hallten Stimmen heraus. Narzissa näherte sich der Tür und lauschte. Lucius sprach mit einem anderen Mann: „Wir haben so lange darauf gewartet. Wir haben alles so gut geplant. Wir sollten die Gelegenheit nutzen und gleich tätig werden.“ Der andere Mann stimmte brummend zu. Narzissa klopfte an die Tür und öffnete sie. „Lucius, das Essen…“ – „Jetzt nicht!“, fuhr er sie an. Der andere Mann schaute sie grimmig an. „Ist das…“ – „Nicht jetzt!“, brüllte Lucius. Narzissa fuhr erschrocken zurück. Lucius schwang seinen Zauberstab und die Tür knallte Narzissa vor der Nase ins Schloss. Sogleich wollte sie sie wieder öffnen, doch ihr Mann hatte sie magisch verschlossen.
Eine Stunde später war das Essen bereits kalt geworden. Mit verschränkten Armen saß Narzissa am Küchentisch als ihr Mann in die Küche kam. Er setzte sich zu ihr an den Tisch ohne ein Wort zu sagen. „Das Essen ist kalt“, stellte er mit vollem Mund fest. Stumm wirbelte Narzissa mit ihrem Zauberstab umher und das Essen begann erneut zu dampfen. „Er war ein Todesser, oder?“ – „Du bist ja paranoid. Das war ein alter Freund von der Arbeit.“ – „Dass du es wagst, mir ohne ein Wimpernzucken ins Gesicht zu lügen.“ Lucius stöhnte genervt. „Sein Name ist Dowle, Crowle oder Rowle. Ich weiß es. Was ich jedoch nicht weiß, ist, warum du mich anlügst, Lucius. Du hast mir versprochen…“ – „Genug!“ Lucius sprang von dem Stuhl auf und fegte den Teller vom Tisch. „Dieses Leben kotzt mich so an.“ Dann stürmte er aus der Küche.
„Diesen Blick hatte ich zuvor noch nie in seinen Augen gesehen.“ Harry hatte sich auf die Stufen zum Podium gesetzt und ihr aufmerksam zugehört. „Er war wie besessen. Seine Liebe zur Macht war größer als die Liebe zu mir. An diesem Tag brach er mir das Herz.“ Sie weinte. Harry war aufgestanden und stand nun direkt vor ihr. „Mrs. Malfoy, wo ist Ihr Mann?“ – „Ich kann es nicht sagen.“ – „Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?“ – „Ich kann nicht.“ – „Warum können Sie nicht?“ – „Weil ich ihn liebe.“
Der unbrechbare Schwur
Am selben Abend saß Narzissa im Salon. Sie hatte es sich in einem Sessel gemütlich gemacht. Die Flasche Met, die auf dem Tisch vor ihr stand, hatte sie bereits zur Hälfte geleert. Im Kamin knisterte ein Feuer. Sie dachte nach. Sie dachte an den Tag, an dem sie sich im Verbotenen Wald gegen Lord Voldemort und für ihre Familie entschied. Sie war ohnehin nie ein Fan des Dunklen Lords gewesen und nur wegen Ihres Mannes mitgegangen.
Sie dachte an den Moment, als ihre Schwester Bellatrix starb, ein Opfer zu viel in einem Kampf, der nie hätte geschlagen werden müssen. Und an den Moment, als die Schlacht von Hogwarts gewonnen war. Als sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn von dem Ort des Geschehens verschwand und sich fortan nur noch auf ihre Familie konzentrieren wollte. Sie erinnerte sich an das Gefühl von Freude, eines persönlichen Triumphs, als sie endlich mit ihrem Mann und ihrem Sohn verschwinden konnte. Ein sanftes Lächeln erstrahlte in ihrem von Tränen übersäten Gesicht.
Doch dann erinnerte sie sich an den Tag, als der Brief des Ministeriums zu Hause eintraf: Eine Vorladung zur Anhörung. Ihre Familie war wegen Hochverrats angeklagt. Sofort entwich das Lächeln ihrem Gesicht. Sie erinnert sich an das verzweifelte Gesicht ihres Mannes. Sie konnte seinen Denkapparat quasi arbeiten sehen, denn er schien ganz offensichtlich einen Plan zu schmieden.
Narzissa saß auf dem Sessel und seufzte. Dann nahm sie einen weiteren, großen Schluck von ihrem Met.
„Sie waren doch bei der Anhörung, Mrs. Malfoy. Sie wurden freigesprochen“, unterbrach Harry ihre Erzählung. Sie hatte Tränen im Gesicht. „Wir wurden freigesprochen“, entgegnete sie mit zitternder Stimme, „weil mein Mann gelogen hat. Und ich habe ihn in Schutz genommen.“ Harry schaute sie fassungslos an. „Die Anhörung fand statt, ehe der neue Zaubereiminister im Ministerium aufgeräumt hatte. Lucius kannte die entsprechenden Leute und so wurde unser Veritaserum gegen Kürbissaft ausgetauscht.“ – „Erzählen Sie mir die Wahrheit, Mrs. Malfoy.“ – „Verstehen Sie doch. Das kann ich nicht.“ – „Warum nicht?“ – „Ich habe vor der Anhörung damals einen unbrechbaren Schwur geleistet. Ich schwor, dass ich meinen Mann niemals bezüglich seiner Zugehörigkeit zu den Todessern belasten werde. Dass ich niemals verraten werde, was er mit den anderen Todessern tut. Und da auch in diesem Fall offenbar dieser Rowle eine Rolle spielt, kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen, ohne dabei mein Leben zu verlieren.“ Harry wollte gerade eine weitere Frage stellen, als jemand an die Tür klopfte.
Entführt
„Mr. Potter, entschuldigen Sie die Störung. Es gibt wieder eine tote Muggelfamilie.“ Harry bedankte sich für die Informationen und bat den Auror, Narzissa im Auge zu behalten. Dann machte er sich auf den Weg zum Tatort.
Der Zaubereiminister Kingsley Shacklebolt wartete bereits auf ihn. „Herr Minister“, grüßte Harry im Vorbeigehen und Kingsley folgte ihm ins Haus. „Übliches Vorgehen“, bemerkte sein Assistent, „die Polizei überlässt uns den Tatort.“ – „Großartig“, fügte Harry hinzu, als er das Kinderzimmer im ersten Stock betrat.
Als plötzlich ein silbernes Licht im Raum auftauchte, zog Harry blitzschnell seinen Zauberstab. Falscher Alarm. Das Licht formte sich zu einem kleinen Otter und Hermines Stimme ertönte: „Ron ist aufgewacht. Kannst du vorbeikommen? Er fragt nach dir.“ Harry ließ erleichtert seinen Zauberstab sinken. „Sie entschuldigen mich?“ – „Gehen Sie nur, Potter.“ Und sofort disapparierte Harry.
Im Krankenhaus angekommen, ging Harry sofort in das Zimmer, in dem Ron lag. Er lag im Bett, sah ziemlich blass aus und redete mit sehr leiser Stimme. Hermine saß an seinem Bett und hielt seine Hand. „Wie geht es dir?“, wollte Harry wissen. „Ziemlich beschissen“, antwortete dieser. „Kannst du dich erinnern, was passiert ist?“ – „Hermine hat es mir erzählt. Ich weiß nur, dass wir mit Malfoy sprechen wollten.“ Hermine meldete sich zu Wort: „Die Ärzte sagen, dass es eine ganz normale Reaktion ist, dass er sich an die letzten Augenblicke vor dem Treffer nicht erinnern kann. Er scheint soweit keine inneren Verletzungen mehr zu haben, muss sich aber auf jeden Fall weiter ausruhen, da er sehr schwach ist.“
In diesem Moment klopfte es an der Tür und der Kopf von Kingsleys Assistenten blickte durch den Türspalt. Er trat einen Schritt in den Raum und Harry ging zur Tür, um sich mit ihm auszutauschen. „Mr. Potter, nachdem Sie weg waren, haben wir einen Hinweis gefunden. Der Revelio-Zauber hat eine Zahlenfolge offenbart und der Minister meinte, sie können damit vielleicht etwas anfangen.“ Harry blickte auf den Zettel, den der andere Zauber in der Hand hielt. „Eins, Eins, Null, Acht, Eins, Neun, Acht, Eins“, murmelte Harry. „Elf, Null, Acht“, er zögerte, „11.08.1981.“ Entsetzt drehte er sich zu Ron und Hermine um: „Er hat Ginny.“
3. Gerettet und verloren
Ron saß kerzengerade auf seinem Bett im St.-Mungo-Hospital. Sein Gesicht hatte plötzlich wieder Farbe bekommen und mit entsetzter Stimme rief er: „Er hat was? Ich bringe ihn um!“ Er wollte aufstehen, doch Hermine hielt ihn an der Schulter fest. „Du sollst dich noch schonen“, sagte sie und schaute ihn vorwurfsvoll an, „Harry kümmert sich darum.“ Sie blickte erwartend zu Harry. „Hermine, sie ist seine Schwester. Ich kann verstehen, dass er wütend ist.“ – „Das kann ich auch, aber er ist noch geschwächt.“ – „Mir geht es gut. Wir sollten keine Zeit verlieren.“ Sie grummelte und stimmte dann – höchst widerwillig – zu. „Wenn die Heiler es erlauben, kannst du gehen. Aber ich komme mit!“ – „Das kommt überhaupt nicht infrage! Ich brauche dich im Ministerium. Wir müssen die anderen Todesser ausfindig machen und in Gewahrsam nehmen. Ich möchte, dass du die Operation leitest, während Ron, einige Auroren und ich uns auf die Suche nach Draco machen.“ – „Draco? Ich denke, wir suchen seinen Vater?“
Harry erzählte von dem unbrechbaren Schwur, den Narzissa geleistet hatte, um ihren Mann zu schützen und Ron verstand sofort, dass Draco Malfoy ihre einzige verbleibende Chance war, um seine Schwester und Lucius Malfoy möglichst schnell zu finden. „Wir sollten keine Zeit verlieren!“
Gegen die Zeit
Harry und der immer noch geschwächte Ron machten sich auf den Weg. Da sie nicht so recht wussten, wo sie suchen sollten, starteten sie ihre Suche im Tropfenden Kessel, jenem Etablissement, das den Übergang von der Muggelwelt in die Magische Welt darstellte. Die übrigen Auroren hatten Draco Malfoy häufiger bei ihren Routine-Besuchen hier gesehen.
„Hallo Hannah“, grüßten Ron und Harry die Wirtin, als sie das Lokal betraten. Hannah Abbott war nicht nur die Wirtin der Gaststätte, sondern auch die Frau von ihrem Freund Neville. „Hallo, die Herren. Privat oder beruflich?“, Hannah blickte nur kurz auf und wischte dann den Tresen weiter. „Beruflich. Wir sind auf der Suche nach Draco Malfoy. Hast du ihn gesehen?“ Sie warf den Lappen in die Spüle, stemmte die Arme in die Hüfte und sah die beiden Auroren neugierig an: „Hat er etwas angestellt?“ – „Er nicht. Sein Vater. Er hat meine Schwester entführt und Draco…“, Harry rammte seinen Ellenbogen in Rons Rippen, welcher sofort mit einem schmerzhaften Quieken verstummte. „Hast du ihn gesehen?“, fragte Harry mit Nachdruck? „Verstehe, verstehe. Er war bis vor wenigen Augenblicken hier. Wollte wohl noch einige Alchemiezutaten kaufen. Ich würde ihn in der Winkelgasse suchen.“ – „Danke, Hannah. Liebe Grüße an Neville.“ Sie nickte und die beiden Auroren verließen den Tropfenden Kessel durch die Hintertür, um die Winkelgasse zu betreten. Harry zückte seinen Zauberstab. Drei nach oben, zwei zur Seite. Er tippte den Backstein mit seinem Zauberstab an und sofort begann sich die Mauer vor ihnen zu öffnen.
„Wir müssen uns beeilen Harry. Jede Sekunde, die der Geisteskranke mit meiner Schwester hat, könnte er ihr etwas antun.“ Harry brummte zustimmend. Sie trafen Draco Malfoy, als er gerade ein Geschäft verließ. „Malfoy!“, rief Ron wütend. Draco drehte sich überrascht um. „Potter, Weasley. Was kann ich für euch tun?“ – „Wo ist dein Vater, Draco?“ Er zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. Ron packte ihn am Arm. „Wo ist dein Vater?“, wiederholte er aufgebracht. „Lass mich los, Weasley. Du willst doch sicher nicht, dass ich dich melde?“ – „Er hat Ginny“, sagte Harry leise und sofort verschwand das Lächeln aus Dracos Gesicht. „Er hat… was?“ – „Ginny. Er hat sie entführt. Er ist für die Muggelmorde verantwortlich. Er formiert die Todesser neu. Wir müssen ihn finden!“ Draco ließ seine Einkaufstasche fallen. „Du veräppelst mich, Potter.“ – „Uns ist nicht nach Späßen zumute, Malfoy. Wo ist dein Vater?“ – „Ich weiß nicht, wo er ist. Wirklich nicht.“ – „Sei mir nicht böse, Malfoy“, entgegnete Ron, „aber ich glaube dir kein Wort!“ – „Das musst du nicht, Weasley. Ich habe keine Ahnung. Ich werde aber mal bei Bekannten nachfragen. Vielleicht haben die etwas gehört. Ich melde mich bei euch!“ Ron brummte, doch Harry antwortete zügig: „Ist gut.“ Verdutzt schaute Ron seinen Freund und Arbeitskollegen an, doch dieser verabschiedete sich in aller Ruhe von Malfoy und schlenderte dann ein paar Meter weiter.
„Was zum…“, Ron war sprachlos und hastete Harry hinterher, „Du kannst ihn doch nicht einfach so gehen lassen. Ich glaube ihm nicht!“ – „Das tue ich auch nicht, Ron. Deswegen werden wir ihn beobachten lassen. Ich denke, …“ – „Potter?“, rief Draco ihm nach und kam zu ihm geeilt, „Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?“ Harry blickte auffordernd zu Ron, der ein paar Meter weiterging und dort auf Harry wartete. „Potter“, Draco begann zu flüstern, „versprich mir, dass ihr ihn nicht töten werdet.“ – „Dein Vater scheint skrupellos zu sein. Wenn es hart auf hart kommt, bleibt uns…“ – „Versprich es, Potter. Ich habe noch einen gut bei dir… Die Schlacht von Hogwarts… Du erinnerst dich?“ – „Ich habe mich im Prozess für deine Familie eingesetzt, Draco. Ich habe alles getan, damit deine Eltern nicht nach Azkaban mussten. Ich kann…“ – „Bitte, Potter. Wenn es sich vermeiden lässt, …“ Harry nickte stumm und ging dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, zu Ron. „Ich glaube wirklich, dass er nicht weiß, wo sein Vater ist. Er ist in Sorge. Das kann man nicht spielen. Nicht so. Lass uns gehen.“
Zurück im Büro erzählten die beiden Auroren Hermine von ihrem Gespräch mit Draco. Ron hatte trotz Harrys Intuition die ständige Beobachtung durch zwei Auroren angeordnet, doch wie es scheint, war Draco nach dem Einkaufen direkt in sein Haus zurückgekehrt. „Er war tatsächlich allein zu Hause. Der Aufspürzauber hat keine weiteren Personen im Haus angezeigt.“ – „Vielleicht hat er sein Haus magisch gegen diese Zauber abgeschirmt“, mutmaßte Ron, doch Hermine entgegnete: „Draco Malfoy ist Alchemist, kein Zauber-Ass. Einen derartigen Abschirmzauber bekommt er gar nicht hin.“ – „Und sein Vater?“ – „Ich glaube nicht, dass Lucius Malfoy sich im Haus seines Sohnes aufhält. Ihm muss doch klar sein, dass wir dort zuerst suchen würden.“ – „Also haben wir nichts. Und meine Schwester… deine Frau… ist noch immer in den Händen eines Massenmörders.“
Das Verschwindekabinett
Es klopfte an der Tür. Harry ging hin, öffnete und schaute in das Gesicht eines kleineren, dicken Aurors. „Mr. Potter, der Herr hier möchte zu Ihnen. Er sagt, sie würden ihn kennen, er wollte mir seinen Namen jedoch nicht nennen.“ Harry blickte auf, schaute über den Auror hinweg und sah Draco Malfoy nervös im Gang wartend. „Schicken Sie ihn durch.“ – „Sofort, Mr. Potter.“
Harry ging in das Büro zurück und kündigte Draco bei Ron und Hermine an, als dieser auch schon die Tür hinter sich schloss. „Potter, Weasley“, er nickte Hermine zu. „Draco, weißt du, wo dein Vater ist?“ – „Sicher weiß ich es nicht. Aber mir ist etwas eingefallen. Erinnert ihr euch noch an das Verschwindekabinett, mit dem ich… Naja, ihr wisst schon. Als Professor Snape Schulleiter von Hogwarts war, hat mein Vater das Verschwindekabinett aus Hogwarts abgeholt. Ich weiß nicht, wo er es hingebracht hat, aber er hat es. Und vielleicht haben wir damit die Gelegenheit, ihn und Ginny Weasley zu finden.“ – „Das ist ein guter Hinweis. Wir machen uns sofort auf den Weg. Hermine, bring Draco doch bitte zu Mrs. Malfoy und lass sie ein wenig miteinander sprechen“, bat Harry und verließ mit Ron den Raum. Harry wollte apparieren, doch Ron stoppte ihn. „Ich bin noch nicht fit genug zum Apparieren. Lass uns ganz altmodisch reisen.“ Er zeigte auf den Kamin, „Wie das funktioniert, weißt du ja am allerbesten.“ Ron lachte. Harry nahm eine Hand voll Flohpulver, trat in den Kamin und verschwand in den aufleuchtenden Flammen. Ron folgte ihm.
„Ach du liebes Bisschen“, schrie Hannah Abbott erschrocken auf und ließ vor Schreck das Glas fallen, das sie gerade abtrocknete, als Harry und Ron nacheinander im Kamin des Tropfenden Kessels auftauchten. „Entschuldige, Hannah. Wir haben es eilig“, rief Harry im Vorbeigehen und verließ die Kneipe durch die Hintertür. Ron eilte hinterher. Sie durchquerten erneut den Durchgang zur Winkelgasse und bogen dann in die Nokturngasse ab. Schnellen Schrittes gingen sie zu Borgin & Burke’s, wo Harry das Gegenstück des Verschwindekabinetts vermutete. Als sie den Laden erreichten, drückte Harry gegen die Tür. Sie war verschlossen. Blitzschnell zog er seinen Zauberstab, flüsterte Alohomora und öffnete die Tür. Das Geschäft war menschenleer und dunkel.
„Lumos“, sprach Ron und erhellte den dunklen Raum. Harry und Ron blickten sich erhobenen Zauberstabs um. Möbel und Gegenstände waren mit weißen Tüchern abgedeckt und das Licht, das aus Rons Zauberstab strahlte, warf gespenstige Schatten an die Wände. Mit kurzen, ruckartigen Bewegungen mit seinem Zauberstab begann Harry, die Tücher abzudecken, um das Verschwindekabinett zu finden. Doch je länger die beiden Auroren suchten, umso deutlicher wurde, dass sie nicht fündig werden würden. „Meinst du, Malfoy hat auch dieses Verschwindekabinett mitgenommen?“, wollte Ron wissen. „Ich weiß es nicht. Schon möglich.“
Eine quietschende Diele ließ die beiden aufschrecken. Sie fuhren umher und richteten ihre Zauberstäbe in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. „Was…“, geblendet unterbrach er seinen Satz und hielt schützend den Arm vor das Gesicht, „Was machen Sie hier?“ Augenblicklich ließen Harry und Ron ihre Zauberstäbe sinken. Vor ihnen stand Gilderoy Lockhart.
gerettet und verloren
„Mr. Lockhart, was tun Sie hier?“ – „Äh… kennen wir uns?“ Gilderoy Lockhart schaute verwirrt hinter seinem Arm hervor, „Sicher haben Sie meine Bücher gelesen.“ Ron schaute Harry verwundert an und verkniff sich ein Lachen. „Müssten Sie nicht im St. Mungo sein, Sir?“ – „Nun, ich war auf der Suche nach einem Schneckenschutz. Ich konnte mich nicht mehr genau daran erinnern, wo ich diesen damals gekauft habe, doch in meinem Buch ‚Gilderoy Lockharts Ratgeber für Schädlinge in Haus und Hof’“, er zog besagtes Buch aus seinem Umhang, „habe ich geschrieben, dass es den besten Schneckenschutz in der Nokturngasse gibt. Und zufälligerweise habe ich herausgefunden, dass der Kamin im Büro der Klinikleitung mit diesem Kamin hier in der Nokturngasse verbunden ist. Ich konnte mich also unbemerkt davonschleichen. Sie werden doch nicht… Bitte sagen Sie nichts. Ich habe einen Ruf zu verlieren. Ich bitte Sie… Können Sie diesem Lächeln eine Bitte abschlagen?“ Er schenkte den beiden ein strahlendes Lächeln, doch die beiden waren bereits am Tuscheln und hatten ihm überhaupt nicht mehr zugehört.
„Mr. Lockhart, wenn Sie uns entschuldigen würden.“ – „Ja, äh… tschüss.“ Dann drehte er sich um und ging pfeifend davon. „Er ist noch komischer als damals, findest du nicht auch?“ – „Absolut schräg“, entgegnete Ron. „Wir müssen ins St. Mungo. Mich würde brennend interessieren, warum die Klinikleitung eine direkte Verbindung in die Nokturngasse aufrechterhält.“ Im selben Moment schien Harry die Antwort bereits zu erahnen. „Wir müssen uns beeilen. Kannst du apparieren?“ Ron nickte entschlossen, dann verschwanden die beiden.
Vor dem St. Mungo Krankenhaus tauchten die beiden wieder auf. Sie gingen hinein und erfragten den Weg zur Klinikleitung. Als sie das Büro erreichten, klopfte Harry. Sofort wurden die beiden hereingebeten. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Klinikleiter leise und schrieb noch ein paar Worte mit einer Feder. Als er von dem Papier aufblickte und Harry und Ron sah, sprang er von seinem Stuhl auf. „Entschuldigen Sie. Ich war nur so überrascht, Auroren in meinem Büro zu sehen. Wie kann ich Ihnen helfen?“ – „Erzählen Sie uns doch bitte, warum sie eine direkte Verbindung von ihrem Büro in die Nokturngasse haben.“ – „Das ist doch nicht verboten, oder irre ich mich?“ Er rümpfte die Nase. „Ist es nicht, Sir. Wir fragen uns nur, warum ihr Büro eine aktive Verbindung zu Borgin & Burke’s hat. Wir ermitteln in einem Fall, in dem das Geschäft von Relevanz war und aktuell gehen wir jeder Spur nach…“ – „Verstehe“, murmelte der Klinikleiter nervös. Ron stieß Harry an und warf einen eindeutigen Blick zum Klinikleiter. Harry nickte zustimmend. Im selben Moment zog der Klinikleiter seinen Zauberstab. „Stupor!“
Der Schockzauber zischte aus seinem Zauberstab und traf Ron, eine Sekunde später hatte Harry den Klinikleiter entwaffnet und kampfunfähig gemacht. Er hastete zu Ron, der keuchend am Boden lag. „Warum immer ich?“, hustete er. „Kannst du aufstehen?“ – „Gleich. Es ist halb so schlimm.“ Er griff nach Harrys Hand und stand wieder auf, krümmte sich jedoch sogleich vor Schmerz. „Ich informiere die anderen, sie sollen den Klinikleiter hier abholen“, entgegnete Harry und schickte augenblicklich einen Patronus los, um die Auroren zu informieren. „Was hatte er zu verbergen?“, wollte Harry wissen. „Finden wir es heraus“, antwortete Ron und stemmte sich auf. Er zog seinen Zauberstab und zielte in den Raum: „Finite.“ Der Aktenschrank, der in der Ecke des Büros stand, begann sich zu wandeln. Er wurde dunkler, wuchs und wurde schließlich zu jenem Schrank, den Harry und Ron als Verschwindekabinett kannten. „Jetzt haben wir ihn!“
Hatte man erst einen Teil dieser magischen Verbindung gefunden, war es kein Hexenwerk, auch das zweite Verschwindekabinett zu finden. Harry und Ron fanden es auf einer kleinen Insel vor der Küste Schottlands. Sie entschlossen sich dazu, das Haus leise zu betreten. Den Zauberstab fest in der Hand öffneten sie die Tür und betraten das Haus. Im Kamin knisterte ein Feuer, auf dem Herd brodelte eine Kanne Tee, aber es war niemand zu sehen. Ron deutete auf eine weitere Tür, als plötzlich Schreie zu hören waren. „Ginny!“, gab Ron fassungslos von sich und eilte zu der Tür. Es schien, als würde er die Tür einrennen, so schnell stand er im nächsten Raum. Sofort folgte Harry ihm. Dort stand er, Lucius Malfoy. Vor ihm stand Ginny. Seinen Zauberstab drückte er mit der Spitze an ihre Schläfe. „Potter. Schön, dass du da bist. Du hast noch einen Freund mitgebracht? Großartig. So wird es nicht so schnell langweilig.“ – „Lass sie los, Malfoy“, befahl Harry, doch Lucius Malfoy lachte bloß. „Du kannst mir nichts befehlen, Potter.“ Er lachte wieder.
Diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte Ginny. Sie trat ihm mit der Hacke auf die Zehen und rammte ihm ihren Ellenbogen in den Bauch. Zwar ließ Lucius Malfoy sie so los, den Entwaffnungszaubern, die Harry und Ron zeitgleich wirkten, wich er jedoch aus. Sofort feuerte Lucius verschiedene Zauber ab, die rot, blau und weiß aufblitzten. Einer der Zauber traf Ginny, die mitten im Feuergefecht stand und schleuderte sie zu Boden. Geduckt lief Ron zu seiner Schwester und wirkte einen Schutzzauber, sodass er sie aus der Schussbahn ziehen konnte. Harry wirkte einen Zauber nach dem anderen, doch Malfoy wehrte diese ab oder wich durch kurzes disapparieren aus. Immer wieder knallte es laut, wenn zwei Zauber aufeinandertrafen. Die Wände der Hütte waren inzwischen voller Ruß und durchlöchert. „Malfoy!“, rief Harry, „Draco und Narzissa hätten das sicher nicht gewollt!“ – „Seit wann interessiert dich, was andere wollen, Potter?“ Er feuerte einige Sprengflüche, die das Verbleiben in der Deckung unmöglich machten. Ron hechtete mit Ginny hinter einem Tisch hervor, der im nächsten Moment zersplitterte. Sofort feuerte Harry wieder Entwaffnungszauber, um Ron Deckung zu geben. Dieser tastete nach seinem Zauberstab, den er beim Hechten aus der Hand fallen lassen hat. „Ron!“, rief Harry, der den Zauberstab aufgehoben hatte. Ron streckte seinen Arm in die Luft, um den Zauberstab zu fangen. Während Harry den Zauberstab zu Ron hinüberwarf, erleuchtete ein grüner Lichtblitz den Raum. Rons Hand, die gerade den Zauberstab gefangen hatte, fiel augenblicklich zu Boden.
Eine außergewöhnliche Stille machte sich im Raum breit. Lucius Malfoy pustete sich mit einem Lächeln eine Haarsträhne aus dem Gesicht, Harry ließ seinen Zauberstab sinken. Ginny krabbelte auf allen vieren zu ihrem Bruder und hebte seinen Kopf an. Harry fiel auf die Knie. Langsam und mit einem triumphierenden Blick erhob Malfoy abermals seinen Zauberstab. Er richtete ihn auf Harry. „Petrificus Totalus!“, die Tür flog auf, ein weißer Lichtblitz schoss in den Raum und traf Lucius Malfoy, der sofort erstarrte. Draco Malfoy kam herein. Sein Blick schweifte durch den Raum. Dann ließ er den Zauberstab sinken. Er blickte zu Harry, der nun ebenfalls neben Ron kniete. Langsam ging er auf die drei zu und legte seine Hand auf Harrys Schulter. Einen Moment lang überlegte er, etwas zu sagen. Doch er brachte kein Wort über die Lippen.
Die Glocken der Kirche am Friedhof von Godric’s Hollow läuteten. Der Himmel war tiefgrau und es regnete. Schwarze Schirme schützten diejenigen, die sich auf dem Friedhof versammelt hatten. Draco Malfoy tippte Harry kurz an. „Er wird in diesem Moment von den Dementoren geküsst“, flüsterte er. Harry wandte den Blick ohne Reaktion ab. Ihm war egal, was mit Lucius Malfoy geschah. Diesen Augenblick wollte er nur seinem besten Freund widmen. Gemeinsam mit Ginny und Hermine trat er an das Grab heran. „Ruhe in Frieden, alter Freund“, wisperte Harry. Ginny schluchzte und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. „Es ist okay, zu weinen“, sagte George, der in diesem Moment ans Grab herantrat, „Harry weint auch.“ Sie legte ihren Arm fest um Harry. „Du wirst fehlen“, schluchzte Hermine. Sie zog ihre Zauberstab und ließ ein paar Blumen auf dem Grab erscheinen. „Du wirst so sehr fehlen.“